RAUHEIT UND SUBSTANZVERLUST VON ZAHNOBERFLÄCHEN NACH BIOFILMENTFERNUNG MIT UNTERSCHIEDLICHEN BEARBEITUNGSVERFAHREN

von Michael Haas, Martin Koller, Behrouz Arefnia

Die Zielsetzung dieser Pilotstudie war es, die Rauheit und den Substanzverlust von Zahnoberflächen nach Instrumentierung mit Air-Flow, Ultraschall, Handinstrumenten und Poliermaßnahmen bzw. deren Kombinationen zu untersuchen.

Neben den möglichen Unterschieden der Technologien sollte abgeklärt werden, inwieweit ein Polieren von Schmelz- bzw. Zementoberflächen möglich ist. Eine Instrumentation von Zahnoberflächen mit dem Ziel der Biofilmentfernung geht zwangsweise immer mit einem Substanzverlust der zu reinigenden Areale einher. Im Idealfall sollte neben dem Biofilm vom Wurzelzement nur die mit 3–7 μm angegebene Schicht der Endotoxininvasion mitentfernt werden (Abb. 1). Eine Überinstrumentierung führt rasch zum vollständigen Verlust des Zementes mit daraus resultierender Defektheilung.

Der Substanzabtrag von Wurzelzement mit herkömmlichen Technologien wurde durch Ultraschallscaler mit 6,3– 55,9 μm, durch Schallscaler mit 93 μm und mit Küretten bzw. rotierenden Instrumenten mit über 100 μm beschrieben.[1, 2, 3] Die Entwicklung von neuen Pulvern auf Basis von Glycin, Erythritol+CHX, Trehalose ermöglicht den Air-Flow Systemen eine Renaissance.[4-6] Die Effektivität ist bei einer Expositionszeit von nur 5 Sekunden mit der von Ultraschall vergleichbar, auch bei längerer Bearbeitungszeit wurden keine nennenswerten Substanzverluste festgestellt.[7] Neben der Schädigung der Wurzeloberfläche spielt die erzielte Rauigkeit für die parodontale Heilung eine zentrale Rolle, wobei hier Werte von maximal 7 μm angegeben wurden, die mit unbehandelten Oberflächen vergleichbar sind.[8] Ein Systematic Review mit 17 Publikationen bestätigt diese Ergebnisse auch in der klinischen Anwendung.[9]

Erythritol+CHX wird auch am Zahnschmelz eine perfekte Reinigung ohne Defekte konstatiert, wobei hier die Notwendigkeit eines zusätzlichen Polierens diskutiert wird.[10] Ziel unserer Studie ist es, festzustellen, wie sich die verschiedenen Methoden der Oberflächenbearbeitung (Air- Flow, Ultraschall, Handinstrument, Polieren) am Schmelz und am Wurzelzement im Vergleich verhalten bzw. ob es technisch überhaupt möglich ist, eine harte Schmelzoberfläche zu polieren.

Methode:

graph haas 1

Nach operativer Entfernung retinierter dritter Molaren wurde je ein Bearbeitungsfeld im Schmelzbereich und an der Zahnwurzel mit punktförmigen Markierungen zur Orientierung versehen (Abb. 2). Die Zähne wurden in steriler Kochsalzlösung für maximal drei Wochen gelagert, in dieser Zeit bearbeitet und der Analyse zugeführt.

Folgende Technologien kamen nach standardisierten Bedingungen zur Anwendung:

Die Messung der Oberflächenrauheit und die Beurteilung eines möglichen Substanzverlustes erfolgte mit optischer Mikrokoordinationsmessung (InfiniteFocus G5, Alicona Imaging GmbH, Graz, Austria). Die Technologien wurden unter Verwendung der mittleren maximalen Rauhtiefe (Rz) und des mittleren Rauheitswertes (Ra) mit zwei Kontrollgruppen (Schmelz unbehandelt, Wurzelzement unbehandelt) verglichen (Abb. 3). Für alle Gruppen wurden vorerst jeweils fünf Flächen bearbeitet (n=5) und die Mittelwerte errechnet. Kontrollgruppe Schmelz unbehandelt: Abb. 3a und Abb. 3b.

Ergebnisse:

Überinstrumentierung

Die in der Folge abgebildeten Diagramme sind Profilbeispiele. Alle Ergebnisse können Sie beim Verfasser anfordern: m-haas@m-haas.at

Die Rauheitswerte sind in Abb. 4 dargestellt. Über denSubstanzabtrag können aus den bestehenden Daten der Zementoberflächen keine endgültigen Aussagen getroffen werden.

Ergebnisse – Zahnschmelz:

  • Gruppe 1 Air-Flow: Abb 5a und Abb. 5b: Air-Flow + Polieren zeigt in der Gruppe 1 im Vergleich zu Air-Flow allein keinen zusätzlichen Nutzen.
     
  • Gruppe 2 Ultraschall: Abb. 6a, Abb. 6b und Abb. 6c: Im Vergleich zu Air-Flow ergeben sich bei allen Kombinationen kleinere Rz-Werte (Maximaler Rauheitswert), die im Profil an der Abflachung der Peaks sichtbar sind. Auch hier verändern sich durch zusätzliches Polieren die Ergebnisse nicht. Diese Reduktion kommt durch einen geringgradigen Abtrag der Schmelzoberfläche zustande (<3μm).
     
  • Gruppe 3 Handinstrument Scaler: Auch hier kommt es zu einem geringgradigen Substanzverlust im Schmelz und damit zu einer glatteren Oberfläche, die durch zusätzliches Instrumentieren weder mit Air-Flow, Polieren    oder durch Kombination beider weiter verbessert wird.

Ergebnisse – Wurzelzement:

Ein Polieren von Wurzeloberflächen mit Pasten, Bürstchen bzw. Gummikelchen kommt natürlich nur bei freiliegenden Zahnhälsen in Betracht. In diesem Versuchsaufbau wurde dies interessehalber mituntersucht.

  • Gruppe 1 Air-Flow: Abb.7a und Abb. 7b: Das Profil zeigt durch zusätzliches Polieren kleinere Rz-Werte.
     
  • Gruppe 2 Ultraschall: Ähnlich dem Zahnschmelz erreicht man durch Ultraschall glatte Zementoberflächen mit niedrigen Rz-Werten (1,1–3,9 μm), die durch Kombinationen mit Air-Flow oder Polieren nicht wesentlich verändert werden.
     
  • Gruppe 3 Handinstrument Gracey-Kürette: Glatte Oberfläche (Rz 3,4 μm) des bearbeiteten Zementes, Zusatz von Air-Flow verschlechtert das Ergebnis, Poliermaßnahmen führen wie schon oben beschrieben zu einer scheinbar glatteren Oberfläche.

Diskussion und klinische Bedeutung:

Der Aufbau dieser in vitro Untersuchung und eigene klinische Erfahrung erlauben unter Berücksichtigung der vorliegenden Daten folgende Rückschlüsse:

  • Die Ergebnisse der Oberflächen-Rauheit sind mit anderen Studien vergleichbar.[8]
     
  • Die beste Tiefenreinigung am Schmelz und Zement wird mit Air-Flow EMS Plus (Erythritol+CHX) erzielt. Dadurch werden im Rauheitsprofil die Täler (Profil-Valleys) erkennbar tiefer. Damit ist im Gruppenvergleich der etwas höhere Rz- Wert erklärbar. Die optische Abtastung für die Mikrokoordinationsmessung kann zwischen Hartsubstanz und Verunreinigung nicht unterscheiden.
     
  • Auf einer kleinen Fläche (Durchmesser 1–2 mm) können mit allen Technologien gute Rauheitswerte erzielt werden. Unberücksichtigt bleiben bei dieser In-vitro-Untersuchung Probleme mit Handling und Zugänglichkeit zu komplexen Morphologien wie etwa mehrwurzelige Zähne. Ultraschall und Handinstrumente ermöglichen durch punktförmigen Kontakt zur Zahnoberfläche ein strichförmiges Putzmuster. Mit Air-Flow wird ein flächiges Muster erzielt, wobei hier auf einen Arbeitsabstand von 2 mm und einem Winkel von 45° zu achten ist. Bei großen Flächen kann damit leichter ein homogenes Ergebnis erzielt werden. Mit Ultraschall und Handinstrumenten ist das deutlich schwieriger und führt schnell zu Rillen und Furchen. Wiederholtes Instrumentieren, zu hoher Druck[2] und zu lange Expositionszeiten führen bei allen Systemen zu hohem Substanzverlust.
     
  • Die Kombination der zur Verfügung stehenden Technologien bringt weder am Schmelz noch auf der Wurzel Vorteile. Im Gegenteil: sie führt zu zusätzlichem Materialabtrag.
     
  • Ein Polieren würde einen abrasiven Abtrag der Peaks des Oberflächenprofils bedeuten. Bei harten Oberflächen wie Zahnschmelz oder Keramik ist es technisch nicht möglich, mit Polierpasten, Bürstchen und Gummikelchen diesen Abtrag zu erzielen. Eine temporär scheinbar glattere Oberfläche entsteht durch das Einbringen der Paste in die Vertiefungen des Profils. In Abb. 7 lässt der Höhenvergleich zum nichtbearbeiteten Areal den Schluss zu, dass es sich nicht um eine abtragende Glättung der Oberfläche handelt, sondern dass sich lediglich Reste der Polierpaste in den Profil- Valleys befinden. Mit den genannten Polierutensilien kann eine Biofilmentfernung (Reinigung) durchgeführt werden, mit Air-Flow steht uns dafür heute eine deutlich rationellere Technologie zur Verfügung. Rauhe Oberflächen, wie sie durch Beschleifen, Säureschäden etc. entstehen, müssen mit abrasiven Schleifmitteln (z. B. aluminiumoxidbeschichteten Polierscheiben) in absteigender Körnung korrigiert werden.
     
  • Air-Flow hat unter ausreichender Schonung auch beim Wurzelzement die beste Reinigungskraft. Mit einem zu erwartenden Abtrag von ca. 20 μm kommt man dem Ideal, 10 μm abtragen zu wollen, sehr nahe (Abb. 1). Die Limits dieses Systems liegen in der Zugänglichkeit bei erhöhten Sondierungstiefen.

BEHANDLUNGSPROTOKOLLE: BIOFILMMANAGEMENT ZAHN

Behandlungsprotokoll:

Zusammenfassend kann für die Biofilmentfernung am Zahn folgendes Behandlungsprotokoll empfohlen werden: Behandlungsprotokoll: 1. Anfärben zur Diagnose und Motivation > Feinreinigung mit Air-Flow > Kontrolle auf Verfärbungen, Zahnstein und Konkrementen > wenn nötig selektive Bearbeitung mit Ultraschall bzw. Handinstrumenten > 2. Anfärben zur Kontrolle > wenn positiv zurück zu 2 (Ultraschall, Handinstrument) > Feinreinigung mit Air-Flow > CHX-Spülung / Fluoridierung. Die ideale Technologie, mit einem System alles zu instrumentieren, steht uns nach wie vor nicht zur Verfügung. Moderne Air-Flow-Systeme führen zu einem Umdenken im Biofilmmangement, die Eckpfeiler dafür sind:

  1. Das Sichtbarmachen des Biofilms durch Anfärben.
  2. Beginn mit Feinreinigung unter maximaler Schonung der Zahnsubstanz bevorzugt mit Air-Flow.
  3. Kontrolle durch zweites Anfärben bzw. subgingivales Abtasten.
  4. Grobreinigung mit Ultraschall und Handinstrument nur mehr selektiv dort, wo Verfärbungen, Zahnstein und Konkremente mit Air-Flow nicht entfernt werden konnten.

Abschließend muss ausdrücklich festgehalten werden, dass sich die empfohlene Air-Flow Anwendung nach den heute zur Verfügung stehenden Daten nur auf Pulver mit Glyzin- bzw. Erythritol-Pulver bezieht. Eine generelle Verwendung von Bikarbonat ist durch den hohen Abtrag von Zahnsubstanz, nach oftmaliger Anwendung auch von Schmelz, als obsolet anzusehen.

BEHANDLUNGSPROTOKOLL:

Zusammenfassend kann für die Biofilmentfernung am Zahn folgendes Behandlungsprotokoll empfohlen werden: Behandlungsprotokoll: 1. Anfärben zur Diagnose und Motivation > Feinreinigung mit Air-Flow > Kontrolle auf Verfärbungen, Zahnstein und Konkrementen > wenn nötig selektive Bearbeitung mit Ultraschall bzw. Handinstrumenten > 2. Anfärben zur Kontrolle > wenn positiv zurück zu 2 (Ultraschall, Handinstrument) > Feinreinigung mit Air-Flow > CHX-Spülung / Fluoridierung. Die ideale Technologie, mit einem System alles zu instrumentieren, steht uns nach wie vor nicht zur Verfügung. Moderne Air-Flow-Systeme führen zu einem Umdenken im Biofilmmangement, die Eckpfeiler dafür sind:

  1. Das Sichtbarmachen des Biofilms durch Anfärben.
  2. Beginn mit Feinreinigung unter maximaler Schonung der Zahnsubstanz bevorzugt mit Air-Flow.
  3. Kontrolle durch zweites Anfärben bzw. subgingivales Abtasten.
  4. Grobreinigung mit Ultraschall und Handinstrument nur mehr selektiv dort, wo Verfärbungen, Zahnstein und Konkremente mit Air-Flow nicht entfernt werden konnten.

Abschließend muss ausdrücklich festgehalten werden, dass sich die empfohlene Air-Flow Anwendung nach den heute zur Verfügung stehenden Daten nur auf Pulver mit Glyzin- bzw. Erythritol-Pulver bezieht. Eine generelle Verwendung von Bikarbonat ist durch den hohen Abtrag von Zahnsubstanz, nach oftmaliger Anwendung auch von Schmelz, als obsolet anzusehen.

Kommentar:

Biofilmentfernung: Kratzen Sie noch?

Das uns aktuell vorliegende Studienprotokoll von M. Haas et al liefert bemerkenswerte Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Instrumentierung bei der sub- und supragingivalen Zahnreinigung. So wurden Rauheit und Substanzverlust von Zahnoberflächen nach Instrumentierung mit Air-Flow, Ultraschall und Handinstrumenten untersucht sowie die Frage der Sinnhaftigkeit zusätzlicher Poliermaßnahmen geklärt. Genau diese Kombination hat sich als nicht zielführend gezeigt, da die beste Tiefenreinigung am Schmelz und Zement bereits mit Air-Flow EMS Plus (Erythritol+CHX) erzielt wird. Eine weitere Politur ergibt nur scheinbar bessere Ergebnisse, da die Tiefen des Profils mit Paste aufgefüllt werden. Dazu kommt: Mit Air-Flow wird – korrekte Anwendung vorausgesetzt (Arbeitsabstand, Strahlwinkel, Zeit, richtige Wahl des Pulvers) - ein homogenes, flächiges Muster erzielt, was mit Ultraschall und Handinstrumenten deutlich schwieriger zu erreichen ist. Aus den Ergebnissen resultiert ein Behandlungsprotokoll, das sich in wesentlichen Punkten von der bisherigenLehrmeinung unterscheidet. Die wesentlichenEckpunkte:

  1. Start with Air-Flow (powder plus) after staining
  2. Removal of remaining hard stones with ultrasound
  3. Use of the curette - if at all - only more selectively

This protocol enables the best results with maximum protection of the substance - over-instrumentation is avoided.


Roughness and substance loss of tooth surfaces according to different processing procedures. Medical University of Graz, School of Dental Medicine 2018.

Univ.-Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit, Medizinische Universität Graz, Austria
Korrespondenz: Univ.-Prof. Dr. Michael Haas, Univ.-Klinik für Zahnmedizin und Mundgesundheit Graz, Billrothgasse 4, 8010 Graz, m-haas@m-haas.at

Gekürzte Fassung. Der vollständige Artikel mit Literaturverzeichnis ist auf
www.dentalhygieneschule.com verfügbar.